Freitag, 30. März 2007

Es war einmal...

... ein Fahrrad. Ein gelbes Fahrrad. Und dieses Fahrrad gehörte einem Mädchen. Verena. Als Verena ihr Auslandssemester in Krakau antrat, hat sie ihr Fahrrad zunächst zu Hause in Salzburg zurückgelassen. Doch schnell hat sie festgestellt, dass die Krakauer Busse und Straßenbahnen nix für sie sind und so hat sie über einen Freund und eine Spedition den Transport ihres Fahrrads nach Polen veranlasst und hier ist ihre Geschichte (quasi ein kleiner Gastbeitrag in meinem Blog ...ein verrückter Tag in Polen aus der Sicht von jemand, der noch nicht so viel Polnisch spricht ;-) ):




Eine Frau und ihr Fahrrad

oder: die Anekdote des Tages

09:00: Verena findet sich am Bahnhof Kraków Glowny ein, um Anias Anruf abzuwarten, ob mein Fahrrad auch wirklich in Chorzow schon abholbereit ist (Ania hat Nachforschungen betrieben und in der Zwischenzeit bei der Spedition in Chorzow angerufen)

09:30: Ania meldet sich: Grünes Licht für die Abholaktion

09:40: Verena kauft Ticket für Katowice

09:45: Verena sitzt im Zug nach Katowice

09:50: Schaffner kommt um das Zugticket zu kontrollieren „ Nie wazna“ (nicht gültig). Verena: ???????? Okay, dann eben kein Studententarif – Es heißt also Aufpreis zahlen.
Der Schaffner nimmt bei mir im Abteil Platz, kritzelt 15 min was auf seinem Block herum, erzählt mir alles mögliche auf polnisch und meint dann „20 Zloty“.. Super! was kann ich dafür wenn die Fahrkartenschalterdame mir ein falsches Ticket gibt

11:15: Katowice!!!!...- Erste Etappe geschafft!

11:20: Auf der Suche nach dem Busbahnhof und dem Bus Nr. 632 nach Chorzow

11:25: Gefunden! Bus kommt erst in 30 min

12:00: Bus kommt, Verena will beim Busfahrer Ticket kaufen: „czschzeo szefesche czekbeoibe“. Verena: ???????
Verena bittet jungen Dame um Hilfe: Ah so! Der will nur 2 Zloty von mir und keinen 10-er. Na dann!

12:05: Bus fährt, Verena hört jemanden deutsch sprechen!!! … fragt: Wo muss ich aussteigen. Der ganze Bus beginnt zu diskutieren wo die Niedzwiedziniec Strasse in Chorzow ist

12:15: Sie haben sich geeinigt- 4. Haltestelle

12:20: Der Bus fährt auf die Autobahn auf. Verena denkt: hmmmmmm… wie komm ich da dann bloß mit dem Fahrrad zurück??

12:30: Der halbe Bus teilt mir mit, dass ich jetzt aussteigen muss! Großes Abschieds „pa pa, do widzenia“…..

12:31: Stehe an der Bushaltestelle in Chorzow und hab keinen Plan

12:33: Frage einen LKW Fahrer der am Straßenrand parkt ob er weiß wo die Ul. Niedzwiedziniec ist. Antwort: „nie wiem“ (ich weiß es nicht) – fängt energisch ein einem straßenatlas zu blättern an. „nie ma“ (die gibt’s nicht) – Verena: „potem mam problem“ (danach hab ich ein Problem)

12:35: Verena wendet sich an jungen Burschen im Bushüttl: “przepraszam, wiesz gdzie jest Uliza Niedzwiedziniec“? (weißt du wo die Niedzwiedziniec strasse ist?)… Verena merkt zu spät, dass der Typ vollkommen daneben ist und extrem nach Terpentin stinkt (Ersatzdroge????) Er grinst und sagt „tak“ (ja).. oje! Das hat mir noch gefehlt. Er springt auf und begleitet mich – mir wird’s mulmig. Dann meint er nur „ prosto, prosto“ (gerade aus, gerade aus). Verena bedankt sich und stapft los – der Typ hinterdrein ... oh gott. Wie werd ich den wieder los…aber er ist so benebelt dass er mir nicht nachkommt und beim nächsten Gartenzaun erstmal eine Verschnaufpause einlegen muss ;)… gut! abgehängt!

12:40: Verena wandert durch das Industriegebiet und sieht plötzlich : Sped. CJ International!!! :D :D !! yeahhhhhh geschafft!! Ich geh beim pförtnerhäusl vorbei und frag die nette dame dort, ob sie mir sagen kann wo das Lager von der CJ Int. Ist (das Gelände dort ist nämlich irrsinnig groß und mehrere Speditionen teilen sich das Territorium). Die Dame meint „was willst du dort“? Ich: Chze odebrac moj rower“ (ich will mein fahrrad abholen) Sie: „Cooooooooooo????“ (waaaaaaas)…ich: „tak, byl transport z Austrii i moj rower jest tam „ (transport gegeben hat österreich – meine fahrrad seinen dort“ deute auf die Spedition). Sie: grinst! Fragt nach meinem „Paszport“ . ich: „nie mam“ (hab ich nicht). Geb ihr den Führerschein und verklickere ihr, dass das unser „legitimacja
“ (Personalausweis) ist. J sie glaubts und stellt mir einen besucherschein aus und deutet zum Ende des Geländes

12:50: Verena marschiert zwischen vielen großen LKWs durch und kommt zum Lager. Fragt dort den erstbesten Lagerarbeiter und erklärt ihm (wie bereits vorher der Pförtnerin), dass sie ihr fahrrad abholen will: Er: „cooooooooooo???“ (waaaasss?) – versuche mich verständlich zu machen. Er packt mich an der Hand und bringt mich zum Lagerleiter. Der fängt zu lachen an und zieht mich weiter, durch ein paar Büros durch – und dann:

DER GROSSE MOMENT: ICH SEHE MEIN FAHRRAD!!!!

Mein Herz schlägt höher und am liebsten würd ich meinem Drahtesel um den Hals fallen und dem Typen auch gleich

13:00: Verena muss hochoffiziellen Empfangsschein unterschreiben, noch mal meinen „Personalausweis“ herzeigen und dann bin ich entlassen. Ich bedanke mich 10000 mal, drück ihm noch ein Trinkgeld in die Hand und schiebe mein Fahrrad voller Stolz aus dem Lager – hinter mir Gelächter und Geschmunzel

13:10: Bin wieder an der Bushaltestelle – Jetzt stellt sich die Frage: Darf ich mein Fahrrad da überhaupt mitnehmen mit dem Bus?

13:15: Verena fragt ein Mädchen an der Haltestelle „Przepraszam, mowiesz po angielsku? (sprichst du englisch) “ Antwort: große Augen, Mund weit offen.. „nie“ Na gut, dann eben auf Polnisch: „mozna transportowac rower z autobusem? „ (kann ich das fahrrad mit dem bus mitnehmen) Mädchen: lächelt mich an und stürzt mit einem wortschwall auf mich los. Ich verstehe jedes 20. Wort. Aber sie war extrem nett. Hat mir alles mögliche erzählt, unter anderem dass ich auf mein Fahrrad gut aufpassen soll, denn ihrer Freundin wurde es so gut wie aus der Hand gestohlen – in Chorzow! - , dann fragt sie mich mehrmals, wie ich jetzt nach Chorzow gekommen bin, schüttelt den Kopf, fragt erneut, fragt wo ich her bin, meint ich sei auch mit dem LKW gekommen …Auf jeden Fall eine sehr nette Unterhaltung – etwas einseitig (ich hab nicht all zu viel gesagt) – aber sehr nett!

13:30: Bus kommt, Verena steigt mit Drahtesel ein. Bus bummvoll, ramme Lenker einem sitzenden Mann in den Bauch. Ups!! „Przepraszam“ (entschuldigung)… Bus fährt los.. ich komm nicht vom Fleck: Sprich – ich kann kein Ticket kaufen. Naja.. hoff ma mal dass kein Kontrolleur kommt

13:50: Bus kommt in Katowice – dworzec (Bahnhof) an – kein Kontrolleur gekommen! Tiefes durchatmen! Verena geht zum Kartenschalter und verlangt „ein Ticket für mich und mein Fahrrad bitte“ – Dame erzählt mir irgendwas. Ich: „tak, tak, tak“(ja, ja, ja).. Habe 2 tickets in der Hand und weiß, dass der Zug um 14:28 geht

14:20: Am Bahnsteig – Zug kommt. Fahrrad hineingehieft, aufgehangen und rein ins Abteil. Zug fährt ab.. Lese ein wenig, werde müde, lehne mich ans Fenster, und stelle mein Füße auf eine Blechverkleidung am Boden des Zuges und döse vor mich hin

15:00: Es wird warm – sehr warm – in meinem rechten Schuh! Hmmm…die Heizung ist ganz schön aufgedreht… Verena schaut, schaut noch mal, staunt und ist perplex.. mein Schuh ist an diesem Blechding angeklebt und meine Sohle teils geschmolzen!!! ich klebe fest!!

15:05: Schuh ist entfernt, Sohle klebt: Nur nicht am Boden ankommen, Sohle erkalten lassen

16:06 : Ich komme heil in Krakau an, hab meinen Drahtesel bei mir und bin superglücklich!!


Soweit, so gut ;-) ... Das ist aber noch nicht das Ende von der Geschicht!
Leider war Verenas Glück nämlich nicht von langer Dauer. Nur ein paar Tage nach der Ankunft wurde ihr Fahrrad auch schon geklaut!!!!
Und da ihr das Busfahren immer noch, genau wie mir, schrecklich auf die Nerven geht, wollen wir uns demnächst vielleicht so richtig alte Räder zulegen, die dann hoffentlich erstmal nicht geklaut werden ... zumindest nicht schon nach wenigen Tagen ;-)

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

schöner beitrag - mußte das eine ums andere mal grinsen. ging mir hier oft ähnlich, und in norwegen sprechen fast alle englisch !
bitte mehr von solchen beiträgen, damit wir unwissenden "west"europäer auch erfahren, wie es wirklich im "osten" ist. eva als polen-profi vergißt bestimmt immer die hälfte der wichtigen sachen, die uns direkt mit einem großen fragezeichen im gesicht dastehn lassen würden !

... und viel glück mit dem nächsten fahrrad ;-)